Scheidung und Wiederheirat (Teil 6): Zusammenfassung

In diesem Beitrag fase ich die unterschiedlichen exegetischen Positionen zu Scheidung und Wiederheirat zusammen.

In den vergangenen Monaten hatte ich hier die unterschiedlichen Positionen zum Umgang mit Scheidung und Wiederheirat vorgestellt. Nun folgt, wie bereits angekündigt, die Zusammenfassung.

Wiederheirat ist grundsätzlich nicht erlaubt

Laut dieser Sichtweise ist Scheidung in Ausnahmefällen legitim, eine Wiederheirat allerdings grundsätzlich nicht. Argumentiert wird im Wesentlichen mit Mk 10,2-12 und Lk 16,18. Die Ausnahmeklauseln in Mt 5,32 und 19,9 beziehen sich dann nur auf eine mögliche Scheidung im Fall von Ehebruch (Hempelmann). Eine alternative Sichtweise vertritt die Position, der jüdische Kontext müsse bei den Ausnahmeklauseln berücksichtigt werden. Dann geht es entweder nur um Fälle von Inzest (Lanney) oder um Verlobung statt Ehe (Piper).

Scheidung und Wiederheirat bei Ehebruch

Die überwältigende Mehrheit der Exegeten (Mayer, Carson, Osborne…) sieht in den Ausnahmeklauseln von Matthäus (5,32; 19,9) echte Ausnahmen, die sowohl Scheidung, als auch Wiederheirat im Fall von Ehebruch (bzw. sexueller Untreue) legitimieren. Der Ehebund soll nicht gebrochen werden, aber er kann gebrochen werden – eben durch Ehebruch. Eine Versöhnung sollte immer Priorität haben, aber sie ist nicht immer möglich. Der Satzbau und die Wortwahl der Ausnahmeklauseln legen diese Auslegung nahe. Außerdem wird angeführt, dass vom jüdischen Kontext ein Scheidebrief immer die Möglichkeit zur Wiederheirat beinhalte.

Scheidung und Wiederheirat bei Ehebruch und Verlassen

In 1Kor 7,15 beschreibt Paulus den Fall, dass ein Ungläubiger sich aufgrund des Glaubens von seinem Ehepartner trennt. Der Gläubige verlassene Ehepartner ist in solchen Fällen nicht gebunden. Mit der Parallele in 7,39 wird argumentiert, dass das „nicht gebunden“ die Legitimität einer Wiederheirat einschließt. Die Mehrheit der Exegeten argumentieren so (Ciampa und Rosner, Schreiner, Naselli, MacArthur; contra: Schnabel, Fee).

Weitere legitime Gründe für Scheidung und Wiederheirat

Instone-Brewer argumentiert auf Grundlage von 2Mo 21,10f, dass Scheidung und Wiederheirat dann legitim sind, wenn ein Ehepartner seinen ehelichen Pflichten dauerhaft nicht nachkommt (emotionale oder materielle Vernachlässigung). Das sei die einheitliche Meinung jüdischer Gelehrter gewesen und da Jesus diese nicht infrage stelle, sei er der gleichen Meinung. In seiner Diskussion mit den Pharisäern ginge es allein um die Auslegung von 5Mo 24,1-4. Grudem sieht hingegen durch die Formulierung von 1Kor 7,15 („in solchen Fällen“) die Möglichkeit weiterer legitimer Gründe.

Fazit

Eine Wiederheirat generell abzulehnen halte ich für sehr schwierig und die angeführten exegetischen Argumente für nicht tragbar. Mt 5,32 und 19,9 müssen als echte Ausnahmeklauseln verstanden werden. Weiterhin scheint mir 1Kor 7,15 einen weiteren Fall für eine legitime Wiederheirat zu sein. Auch finde ich Grudems Argument nachvollziehbar, dass 1Kor 7,15 die Tür für weitere mögliche Fälle offen lässt. Ich bin weit davon entfernt, das Thema auf die leichte Schulter zu nehmen. Die Ehe ist heilig und soll ein Bund fürs Leben sein. Es gibt etliche Fälle, in denen es geboten ist, auch in einer schwierigen Ehe auszuharren und danach zu streben, das Beste daraus zu machen. Ich tue mich aber schwer damit, einem Menschen eine Wiederheirat zu verwehren, dessen Partner die Ehe mit Füßen tritt. Nicht nur aus ethischen Gründen, sondern auch aus exegetischen Gründen. Ich schließe mit einem passenden Zitat von Craig Keener.

The lack of absolute certainty on where best to draw the line in some cases is an admitted problem of my position, one I feel keenly. Yet this is often a problem when we must move from explaining the original meaning of biblical passages to applying them to unexpected situations today. I suspect that Jesus did not intend to tell us where to draw the line so much as to make us faithful to our marriages. The exceptions were for marriages broken against our will; I wish these exceptions were much rarer than they are today.

Craig Keener

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