Scheidung und Wiederheirat (Teil 2): Wiederheirat ist grundsätzlich nicht erlaubt

In diesem Beitrag lege ich die Position dar, dass eine Wiederheirat nach einer Scheidung grundsätzlich nicht legitim ist.

In meinem ersten Beitrag zum Thema Scheidung und Wiederheirat habe ich einen Überblick über die neutestamentlichen Schlüsselverse gegeben. In diesem zweiten Beitrag lege ich die erste Position dar: Eine zweite Heirat nach einer Scheidung ist grundsätzlich nicht legitim. Ich erkläre die wesentlichen Argumente und gebe Buchhinweise.

Die Grundlage

Weder Mk 10,2-12, noch Lk 16,18 nennen einen möglichen Grund für eine legitime Scheidung. Angesprochen auf den Scheidebrief (5Mo 24,1-4) antwortet Jesus bei Markus, dass dieser nur wegen der Herzenshärtigkeit der Menschen gegeben worden sei (V.5). Das deutet darauf hin, dass es sich um eine Notregelung handelt, nicht um die Legitimierung einer Scheidung. Die Möglichkeit des Scheidebriefes spiegelt damit die ursprüngliche Absicht Gottes nicht wider. Fazit:

„Was nun Gott zusammengefügt hat, soll der Mensch nicht scheiden.“

Markus 10,9

Jesus fährt fort und erklärt, dass, wer sich doch scheiden lässt und einen neuen Partner heiratet, Ehebruch begeht.

„Und er spricht zu ihnen: Wer seine Frau entlässt und eine andere heiratet, begeht Ehebruch gegen sie. Und wenn sie ihren Mann entlässt und einen anderen heiratet, begeht sie Ehebruch.“

Markus 10,10-12

Das klingt sehr absolut. Scheidung entspricht dementsprechend nie dem Willen Gottes. Wenn es aus welchen Gründen auch immer dazu kommen sollte, ist eine weitere Heirat grundsätzlich mit Ehebruch gleichzusetzen und damit illegitim (vgl. 1Kor 7,10f).

Stellt sich die Frage, wie man mit der Ausnahmeklausel bei Matthäus umgeht. Denn bei Matthäus beschreibt Jesus offensichtlich einen Fall, in dem eine Scheidung (je nach Auslegung auch eine Wiederheirat) legitim ist.

„Ich sage euch aber, dass, wer immer seine Frau entlässt, außer wegen Hurerei, und eine andere heiratet, Ehebruch begeht; und wer eine Entlassene heiratet, begeht Ehebruch.“

Matthäus 19,9

Hier gibt es zwei unterschiedliche Ansätze.

Scheidung ist in Ausnahmesituationen legitim, Wiederheirat nie

Einige Exegeten vertreten die Ansicht, die Ausnahmeklausel legitimiere unter gewissen Voraussetzungen eine Ehescheidung, aber nie eine Wiederheirat. Tatsächlich ist es rein vom Satzbau her nicht völlig klar, dass die Ausnahmeklausel die Möglichkeit zur Wiederheirat einschließt. In seinem Büchlein Schöpfung und Menschenwürde schreibt Jacob Thiessen dementsprechend.

„Mit der ‚Sache von Hurerei‘ ist in Mt 5,32 (vgl. auch Mt 19,9) wohl gemeint, dass die Ehefrau entweder vor der Eheschließung in Hurerei lebte oder wohl vielmehr nach der Eheschließung und ständiger ehelicher Untreue lebt, und zwar ohne die Bereitschaft, sich davon abzuwenden. Das ist der einzige Grund für Jesus, dass man sich von seinem Ehepartner trennen bzw. ihn entlassen kann. […] Jesus erlaubt also in Mt 5,32 die Scheidung; eine Erlaubnis zur Wiederheirat ist damit aber nicht ausgesprochen.“

Jacob Thiessen

Ähnlich argumentiert auch Heinz-Peter Hampelmann in seinem (nur noch antiquarisch erhältlichen) Buch Ehe, Ehescheidung und Wiederheirat: Eine biblisch-exegetische und praktisch-seelsorgerliche Orientierung.1

„porneia“ muss vom jüdischen Kontext her gedeutet werden

Ein zweiter Ansatz versucht, die Spannung zwischen den Evangelien aufzulösen, indem sie die unterschiedlichen Zielgruppen der Evangelien betonen. Im Gegensatz zu Markus und Lukas sei das Matthäusevangelium an die Juden gerichtet. Deswegen sei es auch naheliegend, dass die nur von Matthäus erwähnte Ausnahmeklausel eine besondere Relevanz für die jüdische Leserschaft habe. Es müsse geklärt werden, auf was sich der griechische Begriff porneia (meist mit Hurerei wiedergegeben) genau beziehe.

Carl Laney vertritt in seinem Buch „…bis der Tod euch scheidet?“ den Standpunkt, porneia beziehe sich ausschließlich auf Inzest. Inzest sei zwar im Judentum verboten, aber in weiten Kreisen des griechischen Kulturkreises akzeptiert worden. So sei der historische Ort für die Entstehung der Ausnahmeklauseln in der Proselytenpraxis zu suchen. Die Ausnahmeklausel richte sich demnach an Heiden, die zum Judentum übertreten wollten.2

Andere Ausleger betonen den verbindlichen Charakter der jüdischen Verlobung. Komme es während der Verlobungszeit zu sexueller Untreue, sei eine Scheidung notwendig und dann auch legitim, da der Ehebund noch nicht endgültig vollzogen worden sei. porneia bezeichnet in dem Fall sexuelle Untreue während der Verlobungszeit. Dieser Fall wird schließlich auch von Matthäus – und nur von ihm – genannt (Mt 1,19). Die Ausnahmeklausel hat für unseren kulturellen Kontext demnach keine Gültigkeit, sondern nur für den jüdischen. Als Vertreter sind hier John Piper (Scheidung und Wiederheirat in Eine Ehe zur Ehre Gottes, Wilfried Plock) und David Pawsons Wiederheirat ist Ehebruch – es sei denn…: Biblische Aussagen zur Scheidung und deren Folgen (siehe Rezension hier) zu nennen.3

Ein Zwischenfazit

In diesem zweiten Beitrag habe ich die exegetischen Positionen dargestellt, die eine Wiederheirat grundsätzlich ausschließen. Im dritten Beitrag möchte ich dann die Position darlegen, die eine Wiederheirat unter der Voraussetzung von Ehebruch als legitim ansieht. Im vierten möchte ich mich weiteren möglichen Gründen für eine Wiederheirat widmen. Der fünfte Beitrag soll dann eine persönliche Bewertung der unterschiedlichen Standpunkte werden.

  1. Für eine ausführliche exegetische Begründung dieser Position siehe: Ulrich Luz, Das Evangelium nach Matthäus: Mt 1-7. Auch Thiessen beruft sich mehrfach auf Luz.
  2. Ausführlichere Darlegungen dieser Position finden sich in zwei historisch-kritischen Werken. Zum einen bei Heinrich Baltensweiler: Die Ehe im Neuen Testament (nur noch antiquarisch erhalten), zum anderen im englischsprachigen Zeitschriftenartikel Joseph A. Fitzmyer: The Matthean Divorce Texts and Some New Palestinian Evidence.
  3. Siehe auch: David W. Jones, “The Betrothal View of Divorce and Remarriage,” Bibliotheca Sacra 165, no. 657 (Ja-Mr 2008): 68–85.

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