Eine Apostelin im Neuen Testament?

Die Frage nach dem Dienst der Frau in der Gemeinde ist längst in evangelikalen Kreisen angekommen und wird kontrovers diskutiert. Dabei fällt immer wieder das Beispiel von Junia, die eine Apostelin gewesen sein soll (Röm 16,7). Die korrekte Übersetzung des griechischen Namens (Junia oder Junias) ist umstritten. Was ich persönlich aber bedenkenswert finde: Gerade von einer weiblichen Apostelin Junia auszugehen, stärkt nicht die egalitäre Position (keine Rollenunterschiede zwischen Mann und Frau in der Gemeinde), sondern die komplementäre Position (bestimmte Dienste innerhalb der Gemeinde sind Männern vorbehalten). Warum das so ist, schreibe ich in diesem Beitrag.

Junias oder Junia?

Vom Grundtext ausgehend kann nicht entschieden werden, ob es sich um die männliche Form (Junias – als Abkürzung für Junianus) oder die weibliche Form (Junia) handelt. Das liegt daran, dass die neutestamentlichen Schriften ursprünglich in griechischen Großbuchstaben verfasst wurden, bei denen die deklinierte Schreibweise beider Formen gleich ist. Die Gemeinde in Rom wird gewusst haben, wer gemeint ist, uns ist es allerdings nicht möglich das allein vom Text her abschließend zu klären. Die Kirchenväter bis zum 13. Jahrhundert gingen einheitlich davon aus, dass es sich um eine Frau handelt. Auch komplementär denkende Bibelausleger (wie Thomas Schreiner und Douglas Moo) folgen dieser Sichtweise. Während sich einige gängige deutsche Übersetzungen für Junias entschieden haben (z. B. rev. Elberfelder und die Schlachter 2000), ist diese Position eher unwahrscheinlich. Während eine Namenskürzung möglich wäre (vgl. Priscilla und Prisca), ist die männliche Form Junias in der griechischen Literatur nirgends belegt. Es scheint sich also eher um eine Frau gehandelt zu haben und es ist wahrscheinlich, dass Andronikus und Junia ein Ehepaar waren (vgl. Prisca und Aquila in V.3).

Bei den Aposteln angesehen oder ausgezeichnet unter den Aposteln?

Die Frage, die sich anschließend stellt: (1) Waren beide lediglich bei den angesehen (heißt: sie gehörten selbst nicht zur Gruppe der Apostel) oder (2) waren sie ausgezeichnet unter den Aposteln (gehörten also zur Gruppe der Apostel und hatten darin sogar eine besondere Stellung)? Schreiner und Moo halten die zweite Variante für plausibler. Vermutlich wurde aus genau diesem Grund Junia zu Junias gemacht, da man zu der Überzeugung kam, dass eine Frau keine Apostelin sein könne.

So what?

Das Argument für Junia als Apostelin wird häufig dafür gebraucht, eine egalitäre Sichtweise zu begründen. Allerdings wird dann üblicherweise ebenfalls wenig später angefügt, dass Paulus in 1Tim 3 selbstverständlich nur von männlichen Ältesten geschrieben haben könne, weil es in der damaligen patriarchalischen Gesellschaft völlig unmöglich gewesen sei, von Frauen als Gemeindeleitern zu sprechen. Ich frage mich, warum? Wenn weibliche Apostel anerkannt wurden, warum soll es dann undenkbar gewesen sein, von weiblichen Gemeindeleitern zu sprechen? Vor diesem Hintergrund würde es noch stärker ins Gewicht fallen, dass Paulus in 1Tim 3 nur von männlichen Ältesten schreibt. Die Annahme, dass Junia eine weibliche Apostelin war, stärkt meiner Ansicht nach die komplementäre Sichtweise, nicht die egalitäre.

Was ist nun mit Junia?

Persönlich überzeugen mich die Argumente, dass Paulus sich in Röm 16,7 auf Junia als Apostelin bezieht. Die Frage ist nur, was unter Apostelin zu verstehen ist. Bei Paulus findet sich durchaus die Unterscheidung zwischen den Zwölf und einem erweiterten Kreis von Personen, die als Apostel bezeichnet werden (1Kor 15,5.7). Als Voraussetzung für die Bezeichnung als Apostel wird im gleichen Brief die Begegnung mit dem Auferstandenen genannt (1Kor 9,1). Im zweiten Korintherbrief wird das Wort Apostel sogar lediglich mit Abgesandter (der Gemeinde) übersetzt (2Kor 8,23). Ich denke es macht am meisten Sinn, Apostel in Röm 16,7 im Sinne von Missionar zu verstehen. Junia war vermutlich – zusammen mit Andronikus – Augenzeuge der Auferstehung und gemeinsam waren sie Gesandte des Auferstandenen. Das Wirken der beiden war ganz sicher außerordentlich. Der Beitrag der Frauen im Reich Gottes darf nicht heruntergespielt werden. Das Neue Testament schreibt wesentlich mehr davon, was Frauen im Reich Gottes bewegten, als darüber, welche Dienste innerhalb der Gemeinde sie nicht ausüben sollten. Wir tun gut daran, diesem Beispiel zu folgen. Nichtsdestotrotz ist die Apostelin Junia aus meiner Sicht ein schlechtes Argument für ein egalitäres Rollenverständnis.

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