Scrolling Ourselves to Death – 40 Jahre Neil Postman, und aktueller denn je

Vierzig Jahre nach Neil Postmans „Wir amüsieren uns zu Tode“ zeigt Scrolling Ourselves to Death, wie aktuell seine Warnungen in einer Social-Media-Welt sind – und wie Christen heute glaubwürdig gegen den Strom leben können.

Vor knapp 40 Jahren erschien Neil Postmans Klassiker Amusing Ourselves to Death (Wir amüsieren uns zu Tode, Affiliate-Link). Seine Analyse einer Kultur, die sich vom Fernsehen nicht nur unterhalten, sondern auch prägen lässt, war damals prophetisch – und trifft heute in einer Social-Media-Welt noch stärker zu. Ich habe Postman vor etwa 15 Jahren gelesen und war beeindruckt, wie präzise er die Mechanismen moderner Massenmedien durchschaut – und wie aktuell seine Warnungen geblieben sind.

In Scrolling Ourselves to Death (Crossway, 2025) greifen 15 Autoren – Theologen, Pastoren, Wissenschaftler – Postmans Gedanken neu auf. Herausgegeben von Brett McCracken und Ivan Mesa (beide – wie auch etliche der anderen Autoren – eng mit The Gospel Coalition verbunden), fragt das Buch: Was hat sich seit Postman verändert, was hat sich verschärft – und was bedeutet das für Christen heute?

Drei Teile – ein Überblick

Part 1: Postman’s Insights Then and Now

Der Teil fasst Postmans Kernthesen zusammen und stellt sie in den Kontext einer „scrollenden“ Welt. Wer Postman und aktuellere Werke wie Nicholas Carrs The Shallows oder Bücher von Cal Newport kennt, findet hier wenig Neues – aber eine verdichtete und gut aktualisierte Einführung.

Part 2: Practical Challenges Facing Christian Communicators

Hier geht es um die Herausforderungen für Christen in einer Social-Media-Welt – auch für diejenigen, die selbst keine Accounts haben. Denn soziale Medien prägen das Denken und Kommunizieren unserer Zeit: Sie belohnen Schnelligkeit, Polarisierung und Oberflächlichkeit – und formen so unbemerkt auch den Charakter der Botschafter. Dieser Abschnitt ist besonders wertvoll für alle, die sich bisher wenig mit Medienkritik beschäftigt haben, weil er deutlich macht, wie schnell Glaubwürdigkeit leidet, wenn Christen dieselben Kommunikationsmuster übernehmen wie der Rest der Online-Welt. Und diese Prägung beginnt oft schon im Kindesalter (warum das schon bei den Kleinsten beginnt).

Part 3: How the Church can be Life in a “Scrolling to Death” World

Der dritte Teil ist das Herzstück. Besonders stark sind für mich:

  • Kapitel 11: Reconnect Information and Action (Brett McCracken) – die Essenz stammt aus seinem Buch The Wisdom Pyramid (Seele, nähre dich gesund!, Affiliate-Link). McCracken zeigt eindrücklich, wie Christen in einer überreizten Welt Information wieder mit gelebtem Handeln verbinden können.
  • Kapitel 12: Embrace Your Mission (Read Mercer Schuchardt) – ein leidenschaftlicher Aufruf zu einer verkörperten, greifbaren Jüngerschaft, die sich nicht in digitaler Teilhabe erschöpft, sondern Gottes Auftrag ganz praktisch lebt.

Gedanken, die bleiben

Das Buch erinnert daran, dass neue Technologien zwar manche Probleme lösen, aber oft ebenso neue schaffen. Christen sollten deshalb nicht nur fragen, wie sie ein Medium nutzen können, sondern auch, was es mit ihrem Herzen, Denken und Handeln macht. Digitale Teilhabe vermittelt oft nur das Gefühl echter Beteiligung – ein Hauch von Nähe, aber ohne die Substanz wirklicher Gemeinschaft. Doch wir sind für gelebte, leibhaftige Beziehungen geschaffen – und manchmal stört schon ein still daliegendes Smartphone diese Nähe (mehr dazu hier).

Gerade hier überzeugt Kapitel 12: Mission geschieht nicht primär durch geteilte Posts, sondern durch gelebte Liebe – beim Nachbarn klingeln, gemeinsam essen, praktische Hilfe anbieten. Im Netz ist es leicht, Anteilnahme zu signalisieren; im echten Leben zeigt sich, ob wir Gottes Auftrag ernst nehmen. Das sind Handlungen, die keine Algorithmen messen, die aber das Evangelium sichtbar machen.

Ein weiterer starker Gedanke: In einer Zeit, in der das Internet oft prägender ist als die Ortsgemeinde, brauchen Christen bewusst andere Mediengewohnheiten. Das bedeutet auch, Langsamkeit zu kultivieren – weg von der ständigen Jagd nach dem nächsten Dopamin-Kick durch Likes und Newsfeeds, hin zu geistlich geprägtem, tiefem Nachdenken über Themen von ewiger Bedeutung.

Hinweis auf Podcast

Als kurzen Einstieg in das Thema empfehle ich den Crossway-Podcast „Are We Scrolling Ourselves to Death?“. Darin geben Brett McCracken und Ivan Mesa einen prägnanten Überblick über die Kernfragen des Buches. Schnell wird deutlich: Es geht nicht nur um Medienkompetenz, sondern vor allem um geistliche Prägung. Die entscheidende Frage lautet: Welche Geschichte formt mein Herz – die endlosen kleinen Stories im Feed oder Gottes große Geschichte, die allein Bestand hat?

Warum Scrolling Ourselves to Death lesenswert ist

Scrolling Ourselves to Death ist kein radikal neues Buch für alle, die sich bereits mit Medienkritik beschäftigt haben – aber ein wertvoller, geistlich klarer und praktisch anwendbarer Weckruf. Es zeigt, wie sich Postmans Analyse in der Social-Media-Ära nicht nur bestätigt, sondern zugespitzt hat.

Besonders hilfreich ist, dass die Autoren nicht bei Kritik stehenbleiben, sondern Wege aufzeigen, wie Christen in einer digitalen Welt glaubwürdig, geerdet und missionarisch leben können.

Für mich ist es eine Erinnerung, mich nicht vom Rhythmus der Plattformen treiben zu lassen, sondern Gottes Auftrag im Alltag konkret zu leben – mit echter Nähe statt virtueller Ersatzhandlungen, mit Geduld statt getriebenem Scrollen, mit der besseren Geschichte, die der Welt wirklich Hoffnung gibt. Wer tiefer in Fragen von Fokus und digitaler Entlastung einsteigen möchte, findet in meiner Besprechung von Cal Newports Eine Welt ohne E-Mail weitere Anregungen.

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