Ich liebe klare Ziele. Deshalb bin ich auch ein großer Fan des bekannten SMART-Frameworks (spezifisch, messbar, erreichbar, realistisch, terminiert). In meiner Buchvorstellung von Ana Ávilas Make the Most of Your Productivity habe ich bereits betont, dass es dabei nicht um Effizienz um ihrer selbst willen geht, auch nicht um Selbstoptimierung, sondern um gelebte Gottes- und Nächstenliebe. Und in meinem Beitrag über das 1-Minuten-Geheimnis habe ich gezeigt, wie kleine Schritte und gute Gewohnheiten oft nachhaltiger sind als große Vorsätze.
SMART-Ziele und Gewohnheiten sind wertvolle Werkzeuge – doch auch sie stoßen an Grenzen. Denn das Leben verläuft selten linear. Immer wieder begegnen uns Überraschungen, Veränderungen und Unsicherheiten.
Anne-Laure Le Cunf schlägt in ihrem Buch Tiny Experiments (Affiliate-Link) einen anderen Weg vor: nicht den großen Masterplan, sondern kleine, mutige Experimente, die uns Stück für Stück weiterbringen. Ich habe das Buch gelesen – und viele wertvolle Impulse sowohl für meine persönliche Produktivität als auch für meinen Dienst mitgenommen. Deshalb möchte ich hier zeigen, warum gerade Tiny Experiments für Christen spannend und hilfreich sein können.
Das Buch besteht aus vier Teilen (mit jeweils drei Kapiteln), die ich hier kurz vorstelle.
1. PACT – Starte mit Neugier
Wir sind es gewohnt, Ziele zu formulieren. Le Cunf lädt dagegen ein, mit Fragen zu beginnen. Statt gleich ein großes Projekt anzuschieben, geht es darum, neugierig zu sein und kleine Hypothesen zu testen.
Das könnte so aussehen:
• „Wenn ich jeden Morgen damit beginne, einen Psalm zu beten, könnte das meinen Start in den Tag verändern.“
• „Wenn ich E-Mails nur zweimal am Tag statt zwischendurch bearbeite, habe ich mehr Fokus für die wichtigen Aufgaben.“
• „Wenn ich nach einem Gemeindegespräch sofort drei Stichworte notiere, erinnere ich mich später klarer an den Inhalt.“
• „Wenn ich jede Woche bewusst ein neues Buch querlese, erhalte ich mehr Input für Gespräche und Predigten.“
Wichtig ist, klein zu starten – zum Beispiel zehn Minuten täglich über einen überschaubaren Zeitraum, etwa vier Wochen. Dazu gehört auch, die Ergebnisse spielerisch zu betrachten, fast wie ein Kind, das ausprobiert und aus Fehlern lernt. Ein Pact bedeutet: Ich verpflichte mich, für eine gewisse Zeit ein Experiment wirklich zu leben – nicht nur theoretisch darüber nachzudenken.
Gerade im pastoralen Dienst kann das entlastend sein. Anstatt sofort perfekte Strukturen schaffen zu wollen, probiere ich bewusst kleine Schritte aus und prüfe, was trägt – und was nicht. So bleibe ich offen, beweglich und lerne unterwegs.
2. ACT – Bewusst produktiv sein
Produktivität bedeutet nicht, möglichst viel zu schaffen. Wenn Dinge nicht so laufen, wie wir es uns wünschen, ist es oft klüger, innezuhalten und zu reflektieren, statt die Kraft einfach zu verdoppeln. Das gilt besonders für Menschen, die nach dem Willen Gottes fragen wollen, statt nur ihre eigenen Pläne durchzuziehen.
Le Cunf spricht von „mindful productivity“: bewusst prüfen, was gerade dran ist, und verantwortungsvoll mit den eigenen Kräften umgehen. Dazu gehört auch, den Anspruch zu regulieren. Nicht jede Aufgabe muss perfekt sein – manchmal genügt eine einfache „Beta-Version“, die Feedback ermöglicht und den Druck nimmt.
Alles hat seine Zeit (Pred 3,1). Wenn es nicht vorwärts geht, dürfen wir fragen:
• Fehlt mir Klarheit (Kopf)?
• Fehlt mir die richtige Einstellung (Herz)?
• Oder fehlt schlicht ein praktischer nächster Schritt (Hand)?
Hilfreich ist außerdem der Gedanke der „Magic Windows“ – also die produktivsten Tageszeiten bewusst zu nutzen. Manche Aufgaben erfordern volle Aufmerksamkeit, etwa die Predigtvorbereitung, Seelsorgegespräche oder das Planen wichtiger Besprechungen. Andere, wie das Abarbeiten von E-Mails oder organisatorische Aufgaben, passen besser in Zeiten geringerer Konzentration.
Um diese „Magic Windows“ zu finden, empfiehlt Le Cunf, die eigenen Energielevels über ein bis zwei Wochen hinweg zu beobachten. Das kann ganz einfach sein: mehrmals am Tag notieren, wie wach und fokussiert man sich fühlt, oder den Kalender im Nachhinein farblich markieren – grün für Tätigkeiten, die Energie geben, gelb für neutrale und rot für solche, die Energie rauben. So wird sichtbar, wann die besten Zeitfenster für anspruchsvolle Aufgaben liegen und welche Aktivitäten vielleicht anders verteilt werden sollten.
3. REACT – Lernen aus Rückschlägen
Wir wünschen uns, dass unsere Pläne reibungslos aufgehen. Doch die Realität sieht oft anders aus: Termine verschieben sich, unerwartete Aufgaben drängen sich vor, die eigene Energie reicht nicht so weit wie gedacht.
Le Cunf zeigt: Rückschläge sind keine Katastrophen, sondern Lernchancen. Experimente leben von Feedback – und das gilt auch für unseren Alltag. Hilfreich ist das einfache Werkzeug Plus – Minus – Next:
• Was lief positiv?
• Was war schwierig?
• Was probiere ich als Nächstes?
Dieses kleine Raster hilft, aus den eigenen Erfahrungen zu lernen. Besonders praktisch ist es im Rahmen der Wochenplanung. Ich nehme mir dafür in der Regel am Sonntagnachmittag Zeit – wenn Ruhe einkehrt und ich die vergangene Woche reflektieren kann. Bislang lag mein Schwerpunkt dabei jedoch oft auf der Vorausschau. Dem Rückblick habe ich weniger Beachtung geschenkt – gerade dann, wenn Dinge nicht funktioniert haben oder ich Aufgaben immer wieder aufgeschoben habe. Künftig möchte ich genau diesen Teil bewusster einbeziehen: dankbarer werden für das, was gelungen ist, besser verstehen, warum manches nicht so lief wie geplant, und klarer sehen, welche Schritte als Nächstes dran sind.
Hilfreich ist auch das von Le Cunf vorgestellte „Steering Sheet“: Soll ich weitermachen (persist), den Ansatz anpassen (pivot) oder eine Sache bewusst zurückstellen (pause)? Gerade in einem Dienst, in dem immer mehr Aufgaben auf uns zukommen, bewahrt diese Haltung vor dem Gefühl, von Rückschlägen blockiert zu sein. Stattdessen können wir flexibel bleiben und lernen, uns neu auszurichten.
4. IMPACT – Gemeinsam wachsen
Am Ende geht es nicht um Experimente um ihrer selbst willen, sondern um ihre Wirkung im Leben und im Miteinander. Le Cunf spricht von „Curiosity Circles“ – kleinen Gruppen, in denen man seine Experimente teilt und voneinander lernt. Das braucht Mut, weil man Unvollkommenes sichtbar macht, kann aber unglaublich bereichernd sein.
Auch für die persönliche Produktivität gilt: Wir lernen am besten nicht allein, sondern wenn wir Erfahrungen austauschen. Das kann ein Rechenschaftspartner sein, ein kleines Lerntagebuch, das man mit Freunden teilt, oder eine Gruppe von Mitarbeitenden, mit denen man sich über neue Gewohnheiten austauscht.
Hilfreich ist es, nicht nur fertige Ergebnisse zu präsentieren, sondern auch Zwischenschritte sichtbar zu machen. Wer offen teilt, was er gerade ausprobiert, lädt andere ein, Feedback zu geben – und wird selbst ermutigt, dranzubleiben.
Für meinen Dienst heißt das: Im Gespräch mit anderen weiterzugeben, woran ich gerade arbeite („Was habe ich neu ausprobiert? Was habe ich gelernt?“) und so andere zu inspirieren. Ich möchte meine Erfahrungen teilen – auch hier auf meinem Blog. Und ich freue mich, wenn auch andere teilen, was sie ausprobieren – ob es funktioniert hat oder nicht.
Fazit – Warum Christen kleine Experimente brauchen
Anne-Laure Le Cunf zeigt in Tiny Experiments: Wir müssen nicht alles durchplanen. Es reicht, klein zu starten, bewusst zu handeln, aus Fehlern zu lernen und Erfahrungen zu teilen.
Für mich persönlich heißt das: Ich möchte mir den Mut bewahren, Neues auszuprobieren – im Alltag genauso wie im Dienst. Kleine Experimente helfen mir, fokussiert zu bleiben, dankbarer zurückzuschauen und flexibler auf Veränderungen zu reagieren.
Für dich ganz praktisch:
• Schreibe heute eine kleine Hypothese auf, die du ausprobieren willst.
• Halte deine Beobachtungen fest.
• Teile sie mit jemand anderem.
So wird Produktivität nicht zum Selbstzweck, sondern zu einem Werkzeug, um im Glauben zu wachsen und anderen zu dienen.
Hinweis: Das Buch Tiny Experiments ist derzeit nur auf Englisch verfügbar, wird aber aktuell ins Deutsche übersetzt. Die deutsche Ausgabe (Affiliate-Link) wird voraussichtlich im Januar 2026 im Redline Verlag veröffentlicht.
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