Gestern hat der Deutschlandfunk mal wieder einen kritischen Blick auf Evangelikale geworfen. In „Rechts und bibeltreu – Christfluencer und ihr erzkonservatives Familienbild“ beleuchtet der Sender drei Influencer, die offen über ihren Glauben sprechen: Jasmin Friesen („LIEBEZURBIBEL“), Jana Highholder und Leonard Jäger („Ketzer der Neuzeit“). Der Beitrag konzentriert sich vor allem auf ihre ethischen und politischen Positionen und blendet ihr geistliches Anliegen weitgehend aus. Dabei unterscheiden sich die drei Kanäle deutlich – was in der Sendung kaum zur Sprache kommt. Jasmin Friesen und Jana Highholder greifen zwar ethische Themen wie Sexualität oder Abtreibung auf, richten den Fokus aber klar auf praktische Nachfolge. Leonard Jäger sucht hingegen bewusst die politische Auseinandersetzung. Sein Kanal war ursprünglich stark politisch geprägt, und er ist selbst erst seit Kurzem gläubig – das Geistliche tritt bei ihm daher häufig hinter seinem politischen Anliegen zurück.
Vorsichtige Differenzierung und abwertende Begriffe
Positiv fand ich die Einschätzung des Theologen Martin Fritz: Traditionelle Familienwerte sind zunächst einmal konservativ und können durchaus vertreten werden; problematisch werden sie für ihn erst dann, wenn man sie aggressiv und mit einem Absolutheitsanspruch vorträgt. Dem kann ich einiges abgewinnen. Christen sollten ihre Überzeugungen mutig, aber gleichzeitig sanftmütig vertreten – nicht selten geht eines von beidem verloren, sowohl auf konservativer als auch auf progressiver Seite. Zugleich muss man sagen: Die christliche Botschaft bringt von sich aus einen Anspruch auf Verbindlichkeit mit. Christen können also nicht auf den Wahrheitsanspruch der Bibel verzichten, ohne ihre Botschaft zu verwässern.
Irritierend finde ich allerdings Formulierungen wie „Dauerberieselung“ und „Simplifizierung“ durch „rechts-christlichen Content“. Warum werden geistliche Inhalte abgewertet, nur weil sie nicht dem Zeitgeist entsprechen?
Ein Gottesbild auf Sendung?
Am Schluss schießt der Beitrag dann deutlich übers Ziel hinaus: Durch die große Reichweite der Influencer sei eine „christliche Botschaft ohne Angst – und mit einem inklusiven Gottesbild“ in Gefahr. Damit positioniert sich der Deutschlandfunk selbst als Verteidiger eines bestimmten Gottesbildes. Ist es wirklich Aufgabe eines öffentlich-rechtlichen Senders, festzulegen, welche Theologie „richtig“ ist?
Zwei Maßstäbe?
Nur am Rande wird erwähnt, dass die EKD seit Jahren liberale Influencerprojekte finanziell unterstützt. Wenn das legitim ist – und viele würden das so sehen –, warum sollte es dann problematisch sein, wenn sich konservative Kanäle ebenfalls vernetzen und gegenseitig fördern? Auffällig ist zudem: Viele Landeskirchen verlieren gerade bei Jugendlichen spürbar an Zuspruch. Vielleicht liegt das auch daran, dass ihre Botschaft oft nur noch weichgespült ankommt – und damit kaum noch Orientierung gibt.
Zwischen AfD und Apologetik
Natürlich darf im Beitrag das Stichwort AfD nicht fehlen: Jasmin Friesen zeigt an einigen Stellen Sympathien für die Partei, betont aber zum Beispiel im jüngsten Realisten-Podcast, dass sie Björn Höcke durchaus kritisch sieht.
Leonard Jäger provoziert gern, hört aber zugleich aufmerksam zu. Kein Geheimnis: Zuspitzungen und klare Kanten bekommen in den sozialen Medien deutlich mehr Reichweite als sachliche Auseinandersetzungen – das gilt für alle politischen Lager. Ich wünschte es wäre anders…
Mein Fazit
Ich teile nicht jede Meinung der drei und finde manchen Tonfall zu polemisch. In Fragen wie der AfD oder Donald Trump vertrete ich klar andere Überzeugungen als Leonard Jäger. Entscheidend bleibt für mich aber: Der evangelikale Raum ist vielfältig – von ruhigen Bibelauslegern bis hin zu solchen, die politisch deutlich Stellung beziehen, ob eher links oder eher rechts. Wer all das in eine einzige Schublade steckt, verbaut sich die Chance auf ehrliche und fruchtbare Gespräche.