Ungeteilte Aufmerksamkeit: Jonathan Haidts Rat an Gemeinden

Was rät der Sozialpsychologe Jonathan Haidt christlichen Gemeinden im Umgang mit Smartphones und KI? Seine Einsichten sind überraschend aktuell.

In den letzten Jahren habe ich viele Bücher über Mediennutzung gelesen – zuletzt Scrolling Ourselves to Death. Besonders geprägt hat mich jedoch Jonathan Haidts Generation Angst (Affiliate-Link). Haidt ist Sozialpsychologe und Professor für Ethical Leadership an der New York University. In seinem Buch zeigt er, wie Smartphones und Social Media seit etwa 2012 eine „digitale Kindheit“ geschaffen haben – mit gravierenden Folgen für Konzentration, seelische Stabilität und Gemeinschaft.

Haidt selbst ist Atheist mit jüdischen Wurzeln. Gerade deshalb finde ich seine Analysen für Christen spannend. Mehrfach war er bereits zu Gast in der Russell Moore Show, einem Podcast, den ich seit Jahren höre und auch schon in meinem Newsletter vorgestellt habe. In der jüngsten Folge ging es um Jonathan Haidts Ratschläge für Gemeinden zu Smartphones und KI – Einsichten, von denen Gemeinden viel lernen können.

Handys raus aus dem Gottesdienst

Haidt ist überzeugt: Wer die Bibel auf dem Smartphone liest, wird fast zwangsläufig abgelenkt. Push-Nachrichten, kurze Unterbrechungen – und schon ist der Blick weg vom Text. Seine Empfehlung: Gemeinden sollten den Mut haben, handyfreie Gottesdienste einzuführen, vielleicht zunächst probeweise. Körbe oder Schließfächer am Eingang könnten dabei helfen. Russell Moore äußert zwar Zweifel, ob das in der Praxis umsetzbar ist. Doch auch ohne diesen Schritt bleibt die Herausforderung: über die eigene Nutzung nachzudenken – und welches Vorbild wir damit anderen geben.

Die Gemeinde als Schutzraum

Haidt beschreibt Gemeinden als „Kuppelstädte“, die Schutz vor der „technologischen Auflösung“ bieten können. Während Social Media Aufmerksamkeit zerstreut und Gemeinschaft untergräbt, können Gemeinden ein Ort bleiben, an dem Menschen präsent sind – im Zuhören, Beten, Singen, im Miteinander. Studien zeigen laut Haidt, dass Kinder aus religiösen Familien etwas weniger anfällig für die negativen Folgen exzessiver Mediennutzung sind, weil sie stärker in ein soziales Umfeld eingebettet sind – auch wenn sie keineswegs immun gegen diese Folgen sind. Gerade das sollte uns wachsam machen: Gemeinden haben hier eine besondere Verantwortung.

KI als Werkzeug, nicht als Ersatz

Auch zur Künstlichen Intelligenz äußert sich Haidt. Er sieht ihren Wert als Werkzeug – etwa zur Unterstützung bei der Predigtvorbereitung. Doch er warnt eindringlich davor, KI als Ersatz für menschliche Begegnung und geistliche Gemeinschaft einzusetzen. Sobald das Persönliche und Menschliche überlagert wird, gehe „der Geist“ verloren (vgl. auch meinen Beitrag KI zwischen Angst und Hoffnung).

Das entscheidende Stichwort: Gemeinschaft

Sein letztes Wort an Gemeinden lautet schlicht: Gemeinschaft. In einer Welt voller Einsamkeit und Ablenkung können Gemeinden Orte echter Nähe und Verbindlichkeit sein – vorausgesetzt, sie setzen bewusst Grenzen gegenüber den Geräten.

Meine persönliche Reflexion

Mich hat das Gespräch ganz praktisch herausgefordert. Im Gottesdienst nutze ich oft mein Tablet zur Bibellese. Doch Haidts Argument bringt mich ins Nachdenken: Will ich wirklich riskieren, dass Benachrichtigungen oder die bloße Funktionsvielfalt des Geräts meine Aufmerksamkeit vom verkündigten Wort ablenken? Zwar schalte ich den Flugmodus ein, aber ganz unbewusst lenkt mich das Tablet doch ab – und sendet zugleich ein Signal an andere. Vielleicht ist es deshalb ein kleiner, aber wichtiger Schritt, wieder bewusst die gedruckte Bibel mitzunehmen – nicht aus Gesetzlichkeit, sondern um Herz und Aufmerksamkeit zu schützen und ein gutes Vorbild zu geben.

Fazit

Haidt macht deutlich: Gemeinden haben die Chance, inmitten einer überreizten Welt ein Gegenmodell zu leben – Orte echter Gemeinschaft, konzentrierter Aufmerksamkeit und geistlicher Tiefe. Jonathan Haidts Ratschläge für Gemeinden zu Smartphones und KI sind deshalb mehr als theoretische Überlegungen: Sie sind eine Einladung, digitale Gewohnheiten bewusst zu prüfen und Räume zu schaffen, in denen Gottes Wort ohne Ablenkung gehört werden kann. Vielleicht ist es gerade unser analoges Zeugnis – gemeinsam Gottes Wort hören, ohne Ablenkung –, das in einer digitalen Kultur besonders prophetisch wirkt.

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