Was heißt es eigentlich, evangelikal zu sein?

Theologisch scharf, geistlich leidenschaftlich: Menschen des Evangeliums von Michael Reeves ist ein Weckruf zur Rückbesinnung auf das Zentrum evangelikalen Glaubens.

Was macht den Kern evangelikalen Glaubens aus? Diese Frage stellt sich Michael Reeves in seinem schmalen, aber gehaltvollen Buch Menschen des Evangeliums (Affiliate-Link), das kürzlich bei Verbum Medien erschienen ist. Es geht ihm dabei nicht um eine breite soziologische oder historische Darstellung der evangelikalen Bewegung. Reeves zielt tiefer: Er will zeigen, was der Evangelikalismus im Kern ist – oder besser: sein sollte.

Nicht Kultur, sondern Christus

Reeves plädiert leidenschaftlich dafür, den Evangelikalismus wieder strikt theologisch zu verstehen. Nicht kulturelle Prägungen oder politische Allianzen sollen die evangelikale Bewegung bestimmen, sondern allein das Evangelium. „Evangelikal zu sein bedeutet, nicht aus kulturellen oder politischen, sondern aus theologischen und biblischen Überzeugungen heraus zu handeln“, schreibt er pointiert (S.9). Das ist nicht nur eine Abgrenzung, sondern eine Einladung zur Rückbesinnung – und zur Erneuerung.

Die Dreieinigkeit im Zentrum

Im Zentrum der Darstellung steht für Reeves die Dreieinigkeit Gottes. Aus ihr entfaltet er drei wesentliche Aspekte des Evangeliums:

  1. Die Offenbarung durch den Vater – Gott hat sich nicht im Nebel des Relativen verborgen, sondern in klarer, vertrauenswürdiger Offenbarung geäußert. Für Reeves ist die absolute Vertrauenswürdigkeit der Bibel keine verhandelbare Randfrage, sondern konstitutiv für evangelikalen Glauben.
  2. Die Erlösung durch den Sohn – Der Sühnetod Christi, wie sie besonders in der paulinischen Theologie entfaltet wird, bildet das Herzstück von Reeves’ Darstellung. Wer dem etwas hinzufügt, verliert das Zentrum aus dem Blick: „Das Hinzufügen von irgendetwas zu Christus bedeutet, aufzuhören nur christlich zu sein. Es bedeutet, aufzuhören evangelikal zu sein.“ (S. 53).
  3. Die Wiedergeburt durch den Geist – Evangelikaler Glaube ist nicht bloß Zustimmung zu theologischen Wahrheiten, sondern geistgewirkte Erneuerung. Das Evangelium ist nicht Theorie, sondern Kraft zur Umkehr, zum Leben, zur Freude.

Ein theologisches Manifest in schmalem Format

Das Buch umfasst gerade einmal knapp 150 Seiten (ohne Endnoten) und liest sich flott – auch dank Reeves’ zugänglichem Stil. Es ist kein systematisches Grundlagenwerk, sondern eher ein theologisches Manifest. Das hat Vor- und Nachteile. Man könnte sich wünschen, dass Reeves das Spektrum biblischer Themen etwas breiter entfaltet – etwa das Reich Gottes, das für viele Evangelikale zentral ist, kommt kaum vor. Auch das Neue Testament wird recht einseitig gelesen: Paulus dominiert, während die Evangelien auffällig wenig vorkommen. Ich halte nichts davon, Jesus und Paulus gegeneinander auszuspielen – aber eine ausgewogenere Gewichtung hätte dem Buch gutgetan.

Gemeinschaft durch das Zentrum, nicht durch Randfragen

Besonders wertvoll ist Reeves’ Stimme in einer Zeit, in der evangelikale Christen zunehmend Gefahr laufen, sich an Nebenschauplätzen zu verlieren. Er warnt vor zwei gegensätzlichen Tendenzen: zum einen die Spaltung über zweitrangige Fragen hinweg („Wir haben uns einer Tendenz zu spalten schuldig gemacht…“, S. 100), zum anderen eine falsche Einheit, die das Evangelium selbst relativiert („…dass wir es abschwächen, um eine Art sub-evangelikale ‘Evangelium-light’-Einheit zu erreichen“, S. 100).

Die Lösung liegt für ihn im Evangelium als Anker: „Evangelikale behaupten […] nicht, dass die wesentlichen Heilswahrheiten des Evangeliums die einzigen Wahrheiten sind, auf die es ankommt, sondern dass das Evangelium allein unser einender Fixpunkt und Anker ist.“ (S.117). Das ist wohltuend klar und theologisch tief verwurzelt.

Fazit: Konzentration aufs Zentrum

Menschen des Evangeliums ist ein Buch, das ich vielen Evangelikalen zur Lektüre wünsche: theologisch fokussiert, biblisch verankert, geistlich leidenschaftlich. Es lädt zur Selbstprüfung ein – und zur Neuausrichtung. Sicher: Die eine oder andere thematische Lücke bleibt. Aber vielleicht ist gerade das ein Vorzug. Denn Reeves führt zurück zum Zentrum. Und genau dort beginnt gesunde Bewegung.

Als Amazon-Partner verdiene ich an qualifizierten Verkäufen über den Amazon-Link. Sehr gerne dürft ihr die Bücher aber direkt über den Verbum Medien beziehen und so den christlichen Buchhandel unterstützen.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert