Podcasts sind für mich eine großartige Möglichkeit, neue Perspektiven zu gewinnen. Immer wieder entdecke ich darin spannende Gedanken und Geschichten, die meinen Horizont erweitern. Besonders gern höre ich What It’s Like To Be…. Jede Woche gibt der Podcast Einblicke in einen anderen Beruf – vom Hafenlotsen über die Hospizpflegerin, den NBA-Schiedsrichter und den FBI-Agenten bis hin zum Londoner Taxifahrer, einem Gehirnchirurgen oder einem Blumendekorateur.
Meist höre ich die Folgen einfach aus Interesse an diesen Lebensgeschichten. Doch manchmal begegnen mir dabei Impulse, die direkt für die Gemeindearbeit relevant sind. So auch in der aktuellen Folge A Speechwriter (09.09.2025). Darin spricht Stephen Krupin, ein erfahrener Redenschreiber, der unter anderem Reden für Barack Obama verfasst hat, über sein Handwerk. Zwei seiner Gedanken haben mich besonders angesprochen – und ich bin überzeugt, sie sind für alle hilfreich, die regelmäßig predigen oder in anderer Weise vor Menschen sprechen.
Vorbereitung ist Respekt – nicht Krücke
Krupin widerspricht dem Trend, vorbereitete Notizen oder Teleprompter als „Krücke“ abzutun. Er sagt:
„Es gibt zunehmend die Haltung, dass vorbereitete Notizen oder ein Teleprompter ein Mangel seien. Viele Redner sagen: Ich hatte etwas vorbereitet, aber ich werfe es jetzt weg und spreche einfach frei aus dem Herzen. […] Aber für mich sind vorbereitete Worte ein Zeichen des Respekts gegenüber den Zuhörern. Es zeigt, dass man sich die Zeit genommen hat, darüber nachzudenken, was sie hören und verstehen müssen, und wie man eine Verbindung zwischen Redner, Publikum und Thema aufbauen kann.“
Das trifft einen wunden Punkt im Predigtdienst. Ich selbst schreibe meine Predigten nicht Wort für Wort aus, weil das sehr zeitintensiv wäre und ich mich beim freien Sprechen wohler fühle. Aber ich predige mit klarer Struktur (auf Papier oder iPad), mit soliden Notizen und viel vorherigem Nachdenken. Und ich sehe absolut den Sinn, dass viele andere Prediger voll ausformulieren. Beides kann gut und verantwortlich sein – entscheidend ist die ehrliche, intensive Vorbereitung.
Denn Vorbereitung ist nicht nur eine Hilfe für den Prediger, sondern auch ein Ausdruck von Wertschätzung für die Gemeinde. Sie macht deutlich: Eure Zeit ist mir wichtig, und ich möchte, dass ihr Gottes Wort klar und verständlich hört. „Ich lasse mich einfach vom Heiligen Geist leiten“ darf deshalb nie eine Ausrede sein, um die Mühe der Exegese, Strukturarbeit und Formulierung zu sparen. Gebet und gründliche Vorbereitung gehören zusammen. Wer vorbereitet, würdigt die Zeit der Zuhörenden und ehrt den Gott, dessen Wort wir verkündigen.
Predigt: Last oder Chance?
Im zweiten starken Abschnitt geht es um Künstliche Intelligenz. Auf die Frage nach den Effekten von KI für das Schreiben antwortet Krupin:
„Welche Aufgabe willst du lösen? Wenn Schreiben nur etwas ist, das von der To-do-Liste muss, dann verstehe ich, warum man mit KI schnell einen brauchbaren Entwurf erzeugen will. […] Aber wenn Schreiben Verbindung schafft – Redner mit Menschen – wenn es bewegt, Denken verändert und Handeln prägt, dann ist KI dafür (noch) kein effizientes Werkzeug. […] Wenn Schreiben für dich Chance ist – um zu klären, was du denkst, neue Verbindungen zu entdecken, Annahmen zu prüfen und präzise zu formulieren – warum solltest du diesen Prozess überspringen?“
Hier liegt für Prediger das eigentliche KI-„Problem“: Wie sehe ich die Predigt? Als Last: Dann ist die Versuchung groß, KI als Abkürzung zu nutzen und den Weg der inneren Klärung zu umgehen. Als Chance: Dann kann KI ein Werkzeug sein (z. B. beim Ordnen von Gedanken, Testen von Formulierungsvarianten, Finden von Beispielen) – aber nicht der Kern. Der Kern bleibt die geistliche, theologische und pastorale Arbeit am Text für Menschen: hören, beten, ringen, strukturieren, formulieren.
Drei praktische Konsequenzen
Erstens: Vorbereitung zeigt Respekt. Krupins erster Gedanke macht klar: Wer gründlich vorbereitet, würdigt die Zeit der Zuhörenden. Deshalb gehört das Durchdenken und Strukturieren einer Predigt zum Wesentlichen, nicht zum Nebensächlichen.
Zweitens: Predigt ist Brückenarbeit. Redenschreiber wie Krupin sprechen bewusst „für das Ohr“. Auch Prediger müssen sich fragen: Was brauchen meine Zuhörer heute? Eine klare Struktur, kurze Sätze, hörbare Leitgedanken – das ist kein Formalismus, sondern Ausdruck von Liebe.
Drittens: KI kann Werkzeug sein – nicht Ersatz. Krupins zweite Einsicht warnt: Wer Predigt als Last sieht, sucht Abkürzungen. Wer sie als Chance begreift, wird auch mit KI verantwortungsvoll umgehen. Die Frage „Welches Problem will ich lösen?“ hilft, die richtige Haltung zu bewahren.
Was ich daraus mitnehme
Gerade solche Impulse zeigen mir, wie wertvoll es ist, über den eigenen Tellerrand hinauszuhören. Ein Podcast über Redenschreiben mag auf den ersten Blick weit weg vom Predigtdienst wirken – und doch steckt darin eine Menge Weisheit: Vorbereitung ist Respekt, und Predigt ist eine Chance, keine Last.
Für mich war die Folge ein guter Reminder, warum es sich lohnt, Zeit und Herz in die Vorbereitung zu investieren. Was mich ein Redenschreiber übers Predigen gelehrt hat, kann vielleicht auch für dich ein hilfreicher Impuls sein.
Wer selbst reinhören möchte: What It’s Like To Be… – A Speechwriter (natürlich auch über Spotify oder andere Podcast-Apps verfügbar).
