Nach vielen kleineren Verbesserungen in den letzten Jahren hat Logos nun einen wichtigen Schritt gemacht: Bibelsoftware mit künstlicher Intelligenz.
Mit dem neuen KI-Chat in Logos („Smarte Recherche“) kann man jetzt nicht nur suchen, sondern direkt mit seiner Bibliothek „reden“. Das klingt beeindruckend – und ist tatsächlich ein Fortschritt. Doch es bleibt noch viel Potenzial, das bisher ungenutzt ist.
Was bisher möglich war: Fragen stellen – Antworten erhalten
Schon seit Anfang 2025 hat Logos seine intelligente Suchfunktion stetig erweitert. Man konnte zum Beispiel fragen: „Was lehrt Paulus über das Geben?“ oder „Wie groß war Noahs Arche?“ – und bekam eine verständliche Antwort mit Bibelstellen und Quellenangabe.
Das war ein echter Fortschritt: Statt sich durch Dutzende Bücher zu klicken, konnte man einfach eine Frage stellen, und Logos hat die passenden Abschnitte in der eigenen Bibliothek gefunden. Besonders hilfreich: Jede Antwort war mit anklickbaren Quellen versehen, sodass man direkt nachlesen konnte, woher die Information stammte. So blieb die Recherche nachvollziehbar und überprüfbar – was bei einer einfachen Suche über ChatGPT nicht immer der Fall ist.
Was jetzt dazukommt: der neue KI-Chat
Mit dem neuesten Update (November 2025) wurde diese Funktion ausgebaut.
Aus der bisherigen Suchfunktion ist nun ein echter Chat geworden. Man kann nachfragen, ein Thema eingrenzen oder vertiefen – wie in einem Gespräch. Logos nennt das Ganze „Smarte Recherche“.
Wenn man also eine Frage stellt, durchsucht die KI die eigene Bibliothek, fasst die wichtigsten Antworten zusammen und zeigt die Quellen dazu an. Das ist besonders nützlich, wenn man mitten in einem Bibeltext steckt – etwa in Kolosser 2 – und sich fragt, was Paulus mit dem „Kampfpreis“ meint. Die KI findet Kommentare, erklärt den Begriff und führt direkt zu den entsprechenden Stellen. Damit wird Bibelstudium interaktiver und schneller – aber noch nicht so gezielt, wie es sein könnte.
Was ich mir wünschen würde
Der neue KI-Chat ist ein guter Anfang, aber vieles bleibt noch offen. Drei Dinge könnten ihn zu einem wirklich starken Werkzeug für Theologie und Bibelstudium machen:
a) Bevorzugte Bücher priorisieren
In Logos kann man selbst festlegen, welche Bücher man priorisieren möchte – zum Beispiel besonders hilfreiche Kommentare oder Nachschlagewerke. Beim KI-Chat ist allerdings unklar, nach welchen Kriterien Logos entscheidet, welche Bücher als Quellen verwendet und zitiert werden. Wenn die KI gezielt auf die eigenen bevorzugten Werke zurückgreifen würde, wären die Antworten verlässlicher und besser nachvollziehbar. Man könnte sicher sein, dass zuerst die Quellen berücksichtigt werden, die man selbst als besonders wichtig und vertrauenswürdig eingestuft hat.
b) Einzelne Bücher gezielt befragen
Es wäre großartig, wenn man eine konkrete Frage an ein bestimmtes Werk stellen könnte – zum Beispiel:
„Wie erklärt Beale (BECNT) das Bild von Schatten und Körper in Kolosser 2,17?“
Das würde den Zugang zu technischen oder sprachlich anspruchsvollen Werken deutlich erleichtern. Die KI könnte die wichtigsten Gedanken verständlich zusammenfassen – auch für Nutzer, die nicht fließend Englisch lesen oder sich mit Fachsprache schwertun. So käme man schneller zum Kern eines Arguments, ohne sich erst durch viele Seiten arbeiten zu müssen. Und wenn man der Sache anschließend noch tiefer auf den Grund gehen möchte, kann man jederzeit den gesamten Abschnitt im Original nachlesen.
c) Bücher miteinander vergleichen
Am spannendsten wäre wohl die Möglichkeit, mehrere Kommentare oder theologische Werke direkt zu vergleichen. Zum Beispiel:
„Vergleiche, wie Beale (BECNT), Pao (ZECNT) und Copenhaver (Keryx) Kolosser 2,18 auslegen. An was denkt Paulus, wenn er sagt, dass niemand die Kolosser um den Kampfpreis bringen soll? Was verstand man damals unter einem Kampfpreis – und was war der der Kolosser?“
So könnte man auf einen Blick sehen, wo sich die Autoren einig sind und wo sie unterschiedliche Wege gehen. Man bekäme einen guten Überblick über verschiedene theologische Sichtweisen und Auslegungen – eine enorme Hilfe für Predigtvorbereitung, Studium oder Forschung.
Warum das jetzt schon (theoretisch) geht – aber problematisch ist
Solche Vergleiche wären im Prinzip schon heute mit ChatGPT möglich. Man könnte die entsprechenden Textstellen aus seinen Kommentaren kopieren und dort einfügen, um gezielt Fragen dazu zu stellen. Technisch funktioniert das gut – rechtlich ist es aber problematisch.
Die meisten Kommentare und theologischen Werke sind urheberrechtlich geschützt. Sie dürfen also nicht einfach in ein KI-System hochgeladen werden – auch dann nicht, wenn man sie gekauft hat und in den Einstellungen festlegt, dass eigene Daten nicht zu Trainingszwecken verwendet werden dürfen.
Hier liegt der große Vorteil von Logos: Der KI-Chat arbeitet innerhalb der eigenen, lizenzierten Bibliothek. Alles bleibt im geschützten Rahmen, und das Ganze funktioniert deutlich reibungsloser. Wenn Logos diese Möglichkeit künftig erweitert – etwa mit gezielter Quellenauswahl oder direkten Vergleichsfunktionen –, wäre das ein echter Durchbruch.
Was KI leisten kann – und was nicht
KI kann:
Aber sie kann nicht entscheiden, welche Auslegung richtig ist.
- Daten und Texte schnell auswerten,
- verschiedene Sichtweisen miteinander vergleichen,
- Inhalte zusammenfassen,
- hilfreiche Zitate liefern.
Wenn Ausleger sich widersprechen, muss der Nutzer selbst prüfen und bewerten. KI kann uns beim Nachdenken helfen – aber sie nimmt uns das Nachdenken nicht ab.
Bibelstudium bleibt geistige und geistliche Arbeit – auch im Zeitalter künstlicher Intelligenz. Es kostet weiterhin Zeit und Aufmerksamkeit. Gerade in der persönlichen Bibellese wie auch in der Predigtvorbereitung sollte man den Text zuerst selbst studieren. Mit konkreten Fragen, die dabei entstehen, kann man dann Kommentare hinzuziehen – gerne auch mit KI-Unterstützung. Doch das Denken, Prüfen und geistliche Urteilen bleibt unsere eigene Aufgabe – vor Gott und im Gebet.
Fazit
Der neue KI-Chat von Logos ist ein ermutigender Schritt. Er macht das Bibelstudium zugänglicher und spart Zeit. Doch der wirklich große Sprung steht noch aus: Erst wenn man Quellen priorisieren, gezielt mit einzelnen Büchern arbeiten und verschiedene Sichtweisen vergleichen kann, wird aus dem Chat ein echtes Studienwerkzeug.
Ich bin gespannt, wohin die Reise geht – das Potenzial ist jedenfalls groß.
