
Als junger Christ habe ich „Im Schatten des Allmächtigen“ gelesen – Elisabeth Elliots Biografie über ihren Mann Jim Elliot. Dieses Buch hat mich stark geprägt. Jim Elliots kompromisslose Hingabe an Jesus und seine Klarheit in Glaubensfragen haben mich motiviert, selbst entschiedener zu leben. Auch einzelne andere Bücher von Elisabeth Elliot – besonders zu Themen wie Beziehungen und Ehe – haben mich begleitet und herausgefordert.
Umso spannender war es nun, die neue Biografie Elisabeth Elliot: A Life von Lucy S. R. Austen (Affiliate-Link) zu lesen. Sie zeigt eine andere Seite: nicht das Idealbild, das man als junger Leser gerne übernimmt, sondern eine reife, differenzierte Sicht auf ein starkes, aber auch verletzliches Leben. Einige Passagen haben mich besonders nachdenklich gemacht – sechs davon habe ich ausgewählt und kommentiere sie hier in Kürze. Vielleicht spricht dich ja etwas davon ähnlich an wie mich.
Biografien brauchen Ehrlichkeit
Elliot made clear that she had consciously tried to avoid the hagiography so common in Christian biographies, to show instead a real human being with strengths, weaknesses, and flaws. […] But painting a full picture of someone she loved and revered was hard to do – not because she wasn’t honestly trying, but because it was hard for her to see her subject from any perspective other than her own. In writing of the Renaissance, Elliot spoke of Jim’s behavior vaguely. Of the most questionable activities, the kissing incidents, for example, she said nothing. So that the license that Jim condemns himself for ends up sounding like nothing more than a relaxing of overscrupulous standards in order to enjoy some good old-fashioned fun.
Austen spricht eine Spannung an, die mich beim Lesen von Im Schatten des Allmächtigen schon damals unbewusst begleitet hat: Elisabeth Elliot wollte keine Heldengeschichte schreiben – und hat doch (vielleicht zwangsläufig) ein idealisiertes Bild gezeichnet. Das Zitat macht deutlich, dass sie sich um einen ehrlichen Blick bemüht hat, aber dabei letztlich kaum aus ihrer eigenen Perspektive herauskam. Auffällig ist, dass Elisabeth Elliot gerade die kritischen Episoden entweder wegließ oder stark verkürzt darstellte.
Für mich kein Grund zur Enttäuschung. Natürlich fällt es schwer, über jemanden offen zu schreiben, den man liebt und verehrt. Es tut gut, zu sehen: Auch Jim Elliot war ein Mensch mit Schwächen. Gerade das macht seine Leidenschaft für Christus für mich greifbarer. Er war kein Übermensch – sondern jemand, der mit sich rang und Gott dennoch radikal vertraute.
Wenn frühere Gewissheiten zu offenen Fragen werden
Looking back over the events of her life in Ecuador, she had written: „things which I knew before I no longer know. Conclusions which I had drawn have proved to be quite inconclusive. Questions which a few years ago I could have answered quite easily are now unanswerable. One thing I know, as God said to Moses four times in the first eight verses of Exodus 6, I am the Lord. What, after all, is the whole purpose of all that life brings us if not to bring us to him? Missionary work is generally supposed to bring men to Christ. Only God knows what part of my missionary capacity career has contributed to this end. But much in that career has brought me to Christ. And for this, no words suffice to express the thanksgiving in my heart.“
Was für ein ehrlicher und befreiender Gedanke: Christsein heißt nicht, dass mit der Zeit alle Fragen verschwinden. Im Gegenteil – manches, was uns früher glasklar erschien, wird mit zunehmender Lebens- und Glaubenserfahrung eher ungewisser. Elisabeth Elliot beschreibt genau das, wenn sie sagt, dass manche frühere Gewissheiten für sie heute unhaltbar geworden sind.
Mich spricht daran besonders an, dass sie ihren Glauben dennoch nicht als brüchiger erlebt, sondern tiefer. Das Ziel unseres Lebens als Christen ist nicht, immer mehr Antworten zu sammeln, sondern Jesus selbst besser kennenzulernen. Wenn alles wankt, bleibt genau das bestehen: „Ich bin der HERR“ – wie Gott es Mose in 2. Mose 6 wiederholt zusagt.
Dass Elisabeth Elliot rückblickend sagen kann, dass ihr Weg sie zu Christus selbst geführt hat – das berührt mich. Und es erinnert mich daran, dass auch meine eigenen offenen Fragen, Brüche oder Umwege in Gottes Händen nicht vergeudet sind. Sie können – vielleicht gerade deswegen – zu echter Nähe zu Jesus führen.
Warum wir die Fragen der Welt oft nicht kennen
The people she had met outside her subculture had important questions about existence, and she believed Christian faith held meaningful answers. But she questioned whether Christians knew any non-Christians well enough to know what those questions were, let alone to be in a position to offer an answer. Is there any rapport whatever between the Christian and the world? She asked. Have we anything to say to them? Have we tried to say it? Elliot had tried to hold space for such a rapport.
Diese Beobachtung trifft einen wunden Punkt: Wir als Christen haben – theoretisch – Antworten, aber oft keinen echten Kontakt mehr zu den Menschen, die sie brauchen. Wir leben in unseren Gemeinden, teilen unseren Glauben mit Gleichgesinnten, aber verlieren dabei leicht den Anschluss an die Fragen, Sorgen und Denkweisen außerhalb unserer „Blase“.
Elliot bringt es treffend auf den Punkt: Haben wir überhaupt noch eine echte Beziehung zu Menschen außerhalb unserer Gemeinden? Kennen wir ihre Fragen gut genug, um überhaupt sinnvoll antworten zu können? Ich finde, das ist eine sehr aktuelle Herausforderung. Evangelisation beginnt nicht mit einem fertigen Konzept, sondern mit ehrlichem Interesse – mit dem Mut, zuzuhören, zu fragen, sich einzulassen.
Dieser Gedanke motiviert mich, im Alltag wieder aufmerksamer für solche Begegnungen zu sein – und Beziehungen zu pflegen, die über den Gemeindekontext hinausgehen. Nur dann wird unsere Botschaft wirklich hörbar.
Weltlichkeit ist nicht schwarz-weiß, sondern eine Frage des Herzens
„Margaret, your points are all well taken, and in principle, I am sure all of us are in complete agreement. It is the application of the principle which I still firmly believe is relative. It is different for each individual, and it is different in different times in the life of each individual and in different places. I have constantly sought out the meaning of worldliness for me, and the answers keep changing. I keep going back to Jesus‘ own example. He conformed to his society and culture in matters of dress and activities. Imagine the Son of God at a village wedding and then imagine him supplying the seconds on wine and even outdoing the host’s wine in quality. He did not thereby love either the world or the things in it. They were his. We are Christ’s, and Christ is God’s, and therefore all things are ours. It is in the giving of thanks that the thing is sanctified. If we cannot be thankful, we had best abstain. It is precisely because I belong to Christ that all that I do, even eating or drinking, be it steak and wine or chicken and monkey meat, may be done to His glory. How grateful I am for this liberation!
Dieses Zitat stammt aus einer Antwort an ihre Schwägerin. Ich finde es sehr wohltuend, wie Elisabeth Elliot hier über das Thema Weltlichkeit spricht – nicht gesetzlich, sondern ehrlich und zugleich tief verwurzelt im Evangelium. Die Prinzipien sind biblisch klar: Wir sollen in der Welt leben, aber nicht von ihr sein. Doch wie das konkret aussieht, ist oft alles andere als einfach.
Elliot bringt das gut auf den Punkt: Die Anwendung dieser Prinzipien hängt von Zeit, Person und Situation ab – und verändert sich auch im Laufe eines Lebens. Gerade beim Thema „Weltlichkeit“ geht es selten um Schwarz-Weiß-Entscheidungen. Stattdessen braucht es geistliche Reife, Gewissen, und auch eine gewisse Gelassenheit.
Wenn wir Jesus gehören, ist letztlich alles, was wir tun – sogar der Verzehr von Steak, Wein oder Affenfleisch –, eine Gelegenheit zur Dankbarkeit und zur Ehre Gottes. Diese Freiheit ist keine Einladung zum Leichtsinn, sondern zum Staunen über die Gnade, in der wir leben dürfen.
Gott will nicht perfekte Wege – sondern vertraute Nachfolger
The final means of discerning guidance that Eliot presents is that when presented with a choice, dreams and visions are not signs that had been asked for but signs God had given unexpectedly while people were doing the ordinary work of their lives. „Direction may come through circumstances or advice. It may come through the human systems in which we find ourselves, through our own personalities, gifts, and propensities, from an assessment of what is important to understand the goal of guidance as well“, Eliot says. „Our own goal is to know the right way. We don’t like to make mistakes. But God’s goal is developing a lifelong process aimed at helping us and those around us to get to know the guide.“
Wie oft wünschen wir uns glasklare Wegweiser von Gott – am liebsten mit eindeutiger Beschriftung und Pfeilrichtung. Elisabeth Elliot erinnert daran, dass Gottes Führung selten spektakulär geschieht – sondern oft leise – durch Umstände, Gespräche, unsere Persönlichkeit oder sogar durch „Systeme“, in denen wir leben.
Entscheidend ist nicht, dass wir jede Weggabelung „perfekt“ erwischen, sondern dass wir den Hirten kennen, der uns führt. Gottes Ziel ist nicht in erster Linie unsere Fehlervermeidung, sondern unsere Beziehung zu ihm – und dass wir durch die Umwege, Unsicherheiten und Entscheidungen hindurch ihn besser kennenlernen.
Dieser Gedanke nimmt mir den Druck, immer richtig liegen zu müssen. Es reicht, wenn ich dem Hirten vertraue, auch wenn ich den ganzen Plan noch nicht sehe. Denn er geht mit – Schritt für Schritt.
Wenn Rollenbilder zu starr werden – und Menschen darunter leiden
In the late 1990s, for example, she told women that it was inappropriate to give directions to a man who was driving, even if the woman was the only person in the car who knew how to get where they were going, and that it was never appropriate for a wife to manage the family finances, even if the husband was getting them into financial difficulties.
Elisabeth Elliot vertrat ein komplementäres Rollenverständnis – und das teile ich grundsätzlich. Aber was sie hier schreibt, wirkt doch überzogen: Dass eine Frau im Auto keine Hinweise geben oder sich nicht um die Finanzen kümmern soll – selbst wenn der Mann offensichtlich überfordert ist – hat wohl mehr mit kultureller Prägung als mit biblischer Weisheit zu tun.
Ganz ehrlich: Ich wäre beim Autofahren oft ziemlich aufgeschmissen, wenn meine Frau nicht sagen würde, wo’s langgeht. In solchen Momenten hilft mir dann nur noch das Navi. Und ob es biblischer ist, Anweisungen von einer App entgegenzunehmen als von seiner Frau…?
Interessant ist, dass Elliot in anderen Bereichen durchaus frei agierte – etwa als Rednerin oder Radiomoderatorin vor gemischtem Publikum. In Beziehungsthemen jedoch hatte sie teils sehr enge Vorstellungen, die ihr nach allem, was in der Biografie über ihre zweite und dritte Ehe beschrieben wird (Elliot war zwei Mal verwitwet), nicht immer zum Segen wurden. Für mich ist das ein hilfreicher Reminder, auch bezüglich theologischer Überzeugungen wachsam zu bleiben: Geistliche Reife zeigt sich manchmal gerade darin, nicht in Extremen zu denken – sondern im ausgewogenen, liebevollen Miteinander.
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